Buchvorstellung 6: Kleiner Soziologie-Exkurs

Hat ziemlich lange gedauert, bis ich mich aufraffen konnte, hier weiter zu machen. Lag zum einen daran, dass ich jobtechnisch einfach keine Zeit hatte und zum anderen, weil dieser Artikel, der dran kommt, mich einfach nicht so gereizt hat. Naja, vielleicht kann ich es ja doch einigermaßen interessant rüber bringen.

zur Ankündigung

Ein Artikel von Michaela Baumann und Eleonore Eich darüber, was es Entkehrten schwerer oder leichter macht.

Denn dass der Prozess, dem Glauben den Rücken zu kehren, ein schwerer und meist schmerzhafter ist, dürfte klar sein. Es geht ja nicht nur um eine Partei, die man wechselt oder eine Kleidermarke, sondern die Entkehrten entscheiden sich in den Augen der Mitchristen – und manchmal auch noch in ihren eigenen – gegen den Himmel und für die Hölle. So wird so ziemlich alles unehrlich, angefangen mit der Beziehung zu sich selber, aber auch die Beziehung zu anderen Menschen wird unehrlich.

Aber vielleicht ist genau das eine Hoffnung: Da so niemand glücklich ist, gibt es vielleicht genug Motivation, etwas am Status Quo zu verändern?

Über Plausibilität und die Schwierigkeit, sie zu behalten

Wenn Erfahrungen an die nächste Generation weiter gegeben werden soll, wie es im Glauben passiert, geht das nur über eine wie auch immer geartete Tradition. Aber grade beim Glauben ist hier schon die Schwierigkeit, dass die Erfahrungen, die man macht, meist nicht wirklich in der Alltagswelt stattfinden. Sie müssen aber in die Alltagswelt übertragen werden, um relevant zu werden. Wenn man sie jetzt in die Alltagswelt übersetzt, werden sie zwangsläufig verändert, interpretiert, verzerrt. (Beispiel, wenn ich es richtig verstanden habe: Man will etwas Bestimmtes machen, draußen, und betet für schönes Wetter. Und dann ist das Wetter wirklich schön. Man hat dabei aber nicht gesehen, dass Gott das Wetter schön gemacht hat, man hat nur ein Ergebnis, eine Folge gesehen. Das muss dann auf eine bestimmte Weise interpretiert werden, aber man kann nie genau wissen, was passiert ist, so gehen „Informationen“ durch die Interpretation verloren.) In Gemeinden bestimmen in der Regel die Leiter, wie solche Erfahrungen interpretiert werden sollen und ob sie als Glaubenserfahrungen durch gehen und ob sie von Gott kommen oder nicht. Das ist an sich nicht verwerflich, denn in einem solchen Rahmen braucht man einen gemeinsamen Nenner.

Wenn aber dieser gemeinsame Nenner für den Einzelnen keinen Sinn mehr macht, ist ihre Autorität in Gefahr. Und wenn dieser Nenner vor Allem auf Kirchenvätern, Gemeindegründern, alten Pietisten und großen Leitern beruht anstatt auf eigenen Erfahrungen, ist er besonders durch das gefährdet, was hier um uns herum abgeht: Sozialer Wandel. Wir haben in unserer Gesellschaft viele unterschiedliche Sinnstrukturen, gegen die sich der gemeinsame Nenner behaupten muss, wenn er bleiben soll. Dafür gibt es drei Möglichkeiten:

  • Die deduktive Option („Egal, was die anderen sagen, ich entscheide mich für Gehorsam!“)
  • Die reduktive Option („Diese anderen Möglichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen, wie bekomme ich es hin, dass sie zu dem passen, was ich in der Gemeinde höre?“)
  • Die induktive Option („Die Gemeindeleitung besteht nur aus Menschen, sie können sich irren. Ich höre dann eher auf das, was ich von Gott selbst höre.“)

Nicht wenige Gemeinden, vielleicht sogar die meisten, pochen sehr stark auf die deduktive Option, also wird die im Buch näher erklärt:

Die deduktive Option und die Alternative

Klar, man möchte Sicherheit und Geborgenheit. Aber auf eine gezwungene Art Plausibilitätsstrukturen aufrecht zu halten ist besonders dann schwer, wenn den Menschen andere Erklärungsansätze ständig vor Augen stehen. Was einige Gemeinden dann machen ist leider, sich immer mehr abzuschotten – und ihre Mitglieder gleich mit.

  • „Verpasse nicht die Zusammenkünfte!“
  • „Ziehe nicht an einem Joch mit dem Ungläubigen!“
  • „Sei vorsichtig bei der Ausbildung/der Veranstaltung/der Behandlungsmethode… sie kann dir deinen Glauben kaputt machen und dem Feind die Tür öffnen!“
  • und so weiter…

Merkste wat? Da spricht nichts Anderes raus als Angst. Widerstand bedeutet nicht selten, sich den Dämonen zu öffnen, vielleicht sogar, selbst etwas Derartiges zu werden. Aber die Autorinnen sind der Meinung, dass ein solcher Abnabelungsprozess nicht verhindert werden kann und auch nicht verhindert werden sollte, aber es kann den Betroffenen leichter oder schwerer gemacht werden. (Ich bin mir da nicht so sicher und habe die ehrliche Hoffnung, dass der Glaubensverlust  oft nur ein Symptom einer kranken Gemeindestruktur ist, die, wenn sie gesund wird, dem Menschen einen sicheren Ort bieten kann, wo er weiter glauben und trotzdem kritisch leben kann.) So oder so: Fragen, die sich die Gemeinden mal ganz selbstkritisch stellen könnten wären die, welchen gemeinsamen Nenner sie tatsächlich haben (der ist ja nicht selten eher unterschwellig und wird nicht unbedingt konkret benannt, eher als selbstverständlich hingenommen, ganz zu schweigen nach kritisch hinterfragt), und welche Formen der sozialen Kontrolle es in der Gemeinde gibt. Und dann kann sie sich fragen, ob sie damit zufrieden ist… . Wann droht man denn im Allgemeinen? Doch nur, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und merkt, dass einem die Argumente ausgehen. Egal, ob man jetzt einem kleinen Kind sagt: „Du tust jetzt, was ich dir sage, sonst… zähl ich bis drei!“ oder „Wenn du nicht glaubst, was wir dir sagen, landest du… in der Hölle!“ Wenn man das tut, führt das nur dazu, dass Menschen nicht mehr freiwillig glauben, sondern aus Angst. Glauben muss aber IMMER freiwillig sein, sonst kann er nicht frei machen.

Gibt vielleicht eine Alternative?

  • Versteht endlich, dass der gemeinsame Nenner immer wieder, besonders bei Generationenwechsel, verhandelt werden muss. Baut demokratische Strukturen ein!
  • Wegen der Fülle an Weltbildern um uns herum ist es weder dumm, an Gott zu zweifeln noch ist es klug, nur eine Bibelauslegung gelten zu lassen!
  • Man darf niemanden zu einem bestimmten Denken zwingen! Schon gar nicht aus falscher Liebe oder Fürsorge heraus! Leute, übt bitte endlich Toleranz!

Soweit für dieses mal. Ich hoffe, das war einigermaßen verständlich 😀 Bis die Tage.

LG Bithya

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2 Gedanken zu “Buchvorstellung 6: Kleiner Soziologie-Exkurs

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