Was ich an Jesus liebe

 

th[9]Ich hab noch nie jemanden getroffen, der mich so bedingungslos aushält. Ich meine, ich könnte so ziemlich alles gegen die Wand fahren und Jesus würde mich trotzdem nicht aufgeben. Ich habe Leute als Jugendliche und junge Erwachsene mit meinen penetranten Bekehrungsversuchen massiv unter Druck gesetzt, ich weiß nicht, wie viele Leute ich da von Gott weg-evangelisiert habe, ich habe meinen Glauben auf die aggressivste Weise vertreten, die mir im Nachhinein nicht nur peinlich ist, sondern für die ich mich richtig schäme. Und Jesus? Der hat mir (durch einen in meiner damaligen Gemeinde) eine Geschichte erzählt. (irgendwie typisch für ihn :-D)

Da war mal ein junger Mitarbeiter in einer Firma. Er hat vom Chef seinen ersten großen Auftrag gekriegt, es standen mehrere zehntausend Euro auf dem Spiel. Und unser junger Freund… setzt den Auftrag total in den Sand. Wahnsinnig viel Geld futsch, große Verluste für die Firma. Am nächsten Tag saß der Arme zitternd im Büro des Chefs. Er erwartete seine Entlassung. Als er es nicht mehr ertragen kann, spricht er es aus: „Sie wollen mich doch bestimmt feuern, nach dem, was ich da verbockt habe.“ Aber der Chef dazu: „Sie machen wohl Witze! Ich habe grade mehrere zehntausend Euro in Ihre Ausbildung investiert, ich kann es mir nicht leisten, Sie zu feuern!“

Anderes Beispiel. Das für mich noch unglaublicher ist. Auch da, wo ich gar nicht in der Lage bin, meine Fehler einzusehen, steht er zu mir. Und nicht nur das, er hält mich mit meiner Arroganz nicht nur aus, er steht mir bei und hört sich immer wieder mein (An)Klagen an, wenn ich der Meinung bin, andere haben mir übel mitgespielt. Und ich hab den Eindruck, er möchte sogar, dass ich mich da bei ihm ausheule. Er erwartet weder, dass ich mich „nicht so anstelle“ und „augenblicklich vergebe“ noch dass ich „jetzt Buße tue“. Ich soll einfach nur darüber reden, wie ich die Sache erlebt habe. Und dann ist auch Schimpfen OK. Wenn dann der erste Druck weg ist, kann es weiter gehen. Dann kommen auch langsam, nach und nach, die anderen Sachen wie Vergeben und selber Umkehren, Selbstreflektion und Fehler einsehen. Ich finde, das ist auch so ziemlich einzigartig an ihm. Er macht keinen Druck, er nimmt mir den Druck.

Er hält es aus, wenn ich teste. Ich muss immer wieder testen, wie weit seine Liebe geht. Ich meine, ich mache das nicht aus (böser) Absicht, das geschieht eher unbewusst. Ich muss immer wieder ausprobieren, was passiert, wenn ich so ganz anders reagiere, als ich sollte? Kommt da vielleicht sogar etwas Positives raus? Was passiert, wenn ich wütend werde? Was passiert, wenn ich so wütend werde, dass ich vielleicht hasse? Oder Gewaltfantasien entwickele? Was passiert, wenn ich sage, nein, ich will jetzt nicht, dass man für mich betet? Oder wenn ich sogar sage, nein, ich will jetzt kein Wort von Gott hören? Und ich will jetzt mein eigenes Ding machen? Hält das Nest, das ich bei Gott habe auch, wenn ich mich wie eine Wildsau aufführe? Und es hält nicht nur, es scheint sogar stabiler zu werden.

Ich hatte mal eine Art Vision. In einer dieser krassen Phasen, wo ich so getestet habe und dabei teilweise die Kontrolle verloren habe. Ich hatte Angst, eine Gefahr für andere zu werden, weil ich in der Zeit erst lernen musste, mit meiner Wut, von der ich viel hatte, umzugehen. Da hab ich mich Jesus gegenüber wiedergefunden. Er hat mir die Hände entgegen gestreckt und meinte, ich solle ihn weg drücken. Ich hab gegen seine Hände gedrückt wie ne Irre, hab mich total verausgabt. Aber er ist keinen Zentimeter zurück gewichen. Blieb genau an dem Punkt stehen. Es sah noch nicht mal so aus, als ob es ihn irgendwie angestrengt hätte. Als ich nicht mehr konnte, hat er mich einfach in den Arm genommen. Alles ist gut. Er ist viel stärker als ich, auch wenn ich noch so wütend bin. Er steht fest und wird auch darauf aufpassen, dass ich in solchen Phasen keinen zu großen Schaden anrichte. (Außerdem nutzt er das auch gerne, um mir Dinge beizubringen, zum Beispiel, wie ich meine Wut konstruktiv nutzen kann.)

Und dann diese verrückte Mischung aus Stabilität und Berechenbarkeit einerseits und Überraschung und Unberechenbarkeit andererseits. Ich kann mich darauf verlassen, dass er mich liebt und dass bei ihm Vergebung ist, andererseits ist er wirklich immer wieder für Überraschungen gut, und sobald ich denke, jetzt hab ich ihn in meiner Schublade und jetzt kenn ich ihn… ha! Dann zeigt er mir den Vogel! (Nein, jetzt nicht in echt. Aber dann zeigt er mir, dass ich ihn eben nicht in eine Schublade stecken kann.) Dann macht er mit Sicherheit irgendwas, wo ich denke, wie soll ich DAS denn jetzt einordnen?  Ich könnte mir da manchmal in die Hose machen vor Lachen oder Jeus mit irgendwas bewerfen. Oder ich bin nah am Verzweifeln, weil ich gar nicht mehr weiß, was jetzt eigentlich los ist. Was soll man sagen, wenn man sein ganzes Leben als Christ die Sühneopfer-Theologie als die einzig Richtige gesehen hat und dann konfrontiert Jesus einen plötzlich mit sehr, sehr unbequemen Fragen, die diese Theologie aufwerfen. Und du denkst, ist Jesus für meine Schuld gestorben? Oder was bedeutet das alles? Und du bist gezwungen, die fundamentalen Grundpfeiler deines Glaubens neu zu überdenken. Nur um hinterher zu sehen, dass Gott noch viel größer ist, als du es dir je erträumt hast.

Obwohl er sehr genau weiß, wie wichtig es für mich ist, dass ich mich bei ihm auf das eine oder andere einfach verlassen kann. Das muss ich, um ihm vertrauen zu können. Ich muss wissen, dass er mich grundsätzlich sehr wertschätzend, liebevoll ansieht und dass er auch meine Launen aushält, um auch damit umgehen zu können, wenn er unberechenbar wird und auf eine Art und Weise reagiert, die zwar einerseits sehr faszinierend ist, andererseits auch sehr irritierend. Ich glaube, es ist ein bisschen wie ein Fundament, auf dem aufgebaut werden kann.

Mir ist schon klar, dass das alles sehr subjektiv ist. Es ist keine vollendete Theologie oder irgend sowas. Ist einfach, wie ich Jesus erlebe. Und wie siehst du das? Was liebst du an ihm? Oder liebst du ihn überhaupt? Oder würdest du deine Beziehung zu ihm anders nennen? Tob dich in den Kommentaren aus. Platz genug ist ja noch 😀

3 Gedanken zu “Was ich an Jesus liebe

  1. Ehra schreibt:

    Hi Bithya, Gott hält dich nicht nur aus – er will, dass du so bist, wie du bist. Du findest ihn erst dort, wo du wirklich bist – nicht da, wo du meinst, sein zu müssen.
    Klingt vielleicht ein bisschen verrückt. Aber Für mich war an dieser Stelle eines meiner Aha-Erlebnisse. Gerade weil auch ich immer gelernt habe, dass wir grundsätzlich nicht so sind, wie Gott uns haben will und dass man dorthin streben sollte, wo er uns haben will.
    Gott ist nicht im Gestern – denn das ist vorbei. Er ist auch nicht im Morgen – denn das gibt es noch garnicht (und ist vielleicht ganz anders, als du es vermutest) Er ist im Heute – JETZT. Und wenn *ich* ganz und gar im Jetzt bin, dann kann ich ihn manchmal spüren und erleben, wie er ist.

    Und du musst Gott nichts vormachen. Du kannst ihm garnichts vormachen. ER weiß eh besser als du selbst, wie du wirklich bist. Also will er auch, dass du so bist, wie du wirklich bist. Dass DU Du bist. Und wenn du dort nicht bist, dann lässt er dich vielleicht erst einmal im Jetzt ankommen. Oft ist es der Ort, wo wir garnicht sein wollen. Weil wir doch eigentlich ganz anders sein wollen – am liebsten alles kontrollieren wollen und gerne auch vollkommen wären.

    .“Richtig“ sind wir, wenn wir da sind, wo Gott ist – im Jetzt. Dort ist quasi die Ewigkeit – im Jetzt. Und wenn wir aus der Ewigkeit heraus leben, dass bekommt unser Leben den Sinn, der ihm bestimmt ist.

    Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu schräg. Zu diesem Ergebnis bin ich selbst erst durch viele Etappen gekommen. Aber vielleicht kommt ein Funke davon, was ich sagen will, doch rüber.

    Gefällt 1 Person

    • bithya85 schreibt:

      Stimmt, ich finde es auch sehr befreiend daran zu denken, dass ich Gott nichts vormachen muss/kann. Ich habe leider von klein auf gelernt, dass man mich mag, wenn ich so und so bin. Und dass man mich nicht mag, wenn ich anders bin, also hab ich als Kind (und auch als Jugendliche) viel Zeit und Kraft investiert, „richtig“ zu sein. Da war es ein richtiges AHA-Erlebnis zu verstehen, dass es doch gar nicht schlimm ist, ehrlich zu Gott zu sein und ihm zu sagen, was in mir vorgeht und mit mir los ist. Er weiß es ja eh schon.
      Dass mich Gott verändern will und mich zur „besten Version meiner Selbst“ machen will glaub ich eigentlich schon. Es motiviert mich oft, Veränderungen anzunehmen. Dass er es vielleicht nicht immer will hab ich so noch nicht gedacht. Hm, lohnt sich vielleicht mal, drüber nachzudenken, danke für den Gedankenanstoß 🙂

      Gefällt 1 Person

Geig mir deine Meinung