Na? Versuchst du, fremde Gehirne zu benutzen?

 FSK 16! Ernst gemeint! Dieser Artikel enthält eine Dokumentation über Islamisten und deren Propaganda, die ab 16 freigegeben ist und zieht einen Vergleich zu einigen christlichen Settings. Kinder und jüngere Jugendliche könnten hier Schaden erleiden.th[9]

Ich schaue geraden die Dokumentation Dschihad 2.0 und ich muss sagen, ich hab einige Deja vú.

Es geht darum, wie Terrororganisationen wie ISIS das Internet nutzen, um Jugendliche zu erreichen und zu radikalisieren. Und dabei habe ich einige Parallelen gefunden zwischen den Methoden der radikalen Islamisten und den (oft unbewussten) Methoden fundamentaler Christen:

  • Bei Minute 2:45 sowohl ein virtuelles als auch tatsächliches Wir-Gefühl entsteht, wenn sich Menschen als eine Gruppe sehen, die gleiche oder sehr ähnliche Ansichten haben und dasselbe Ziel. Ich habe es selbst in Gemeinden erlebt, in meiner alten Jugendgruppe, die ich sehr geliebt habe und der ich tatsächlich viel verdanke, aber auch in Internetforen wie Jesus.de oder Crosschannel.de (gibt es die doch?). Dieses Wir-Gefühl kann sehr mächtig werden, so mächtig, dass man irgendwann alles für die Gruppe tun würde. Wenn es nötig wäre, verlässt man auch seine Familie, denn die Gruppe ist die neue Familie. (Es wird sogar so gesagt. Und ich glaube, in christlichen Gemeinden ist es auch so, jedenfalls im Geistlichen. Was mich aber etwas irritiert ist, dass die eine Familie gegen die andere ausgespielt wird, welche Familie ist jetzt wichtiger? Und kann man das überhaupt so sagen?)
  • Bei Minute 6:00 ein einfaches Weltbild und scheinbar Antworten auf alles. „Sie sind die Antwort auf alles!“ heißt ein Buch, das ich schon öfter gelesen habe. Es bleiben keine Fragen offen, das gibt Sicherheit. Wenn es doch mal eine komplizierte Frage gibt, für die es keine einfache Antwort gibt, wird eine einfache Antwort gesucht. Aber verschiedene Meinungen oder Widersprüchlichkeiten sind nicht gerne gesehen. Leider wird Toleranz in extremen Kreisen als negative Eigenschaft bewertet.
  • Ungefär bei Minute 12: „Je weniger jemand weiß, desto eher kann man ihn ideologisch manipulieren.“ Erinnert mich an die Skepsis gegen Unis und vor Allem dem Studiengang Theologie. In meiner ersten Gemeinde war mal eine Zeit lang ein Mädchen, die später Theologie auf Lehramt studiert hat. Sie wurde dafür ziemlich kritisiert und nachdem sie zu studieren angefangen hat, ich weiß nicht, ob sie in eine andere Stadt gezogen ist, kam sie nicht mehr. Da wurde gesagt: „Siehst du? Die Uni hat sie vom Glauben abgebracht. Das ist gefährlich!“ Jana, falls du das hier liest: Entschuldigung!
  • Kurz danach: Es werden Jugendliche gesucht, die Nervenkitzel suchen oder sich in der Rolle eines Kriegers sehen wollen. Als Krieger wird man auch in manchen Gemeinden bezeichnet. Als Krieger des Lichts, der in Gottes Armee kämpft, gegen die Dämonen und Satan. Und ja, es hat schon was für sich, sich so zu sehen. Man glaubt, gemeinsam eine bessere Welt schaffen zu können, mit Gott die Welt aus den Angeln heben zu können. Ich finde es auch nicht schlecht, als Motivation für diakonische oder soziale Dienste. Und es macht Spaß, den christlichen Glauben als Abenteuer zu sehen. Es ist, wie wenn man das erste mal wirklich lebt. Man fühlt sich einfach nur lebendig und es kann helfen, mit Rückschlägen umzugehen. Schwierig wird es, wenn man vergisst, dass vor Allem Liebe zählt.
  • 16:25 Einreden wie „Der Islam in Frankreich wurde von denen geschaffen, die den wahren Islam vernichten wollen“ – erinnert mich an „Die Landeskirchen und deren Form der Spiritualität (was schon negativ besetzt ist) wurde vom Staat, vielleicht sogar vom Teufel eingesetzt.“, „Selbst die Imame stünden unter fremden Einfluss“„Die Pastoren in Landeskirchen stehen unter antichristlichem Einfluss weil sie die Botschaft der Bibel verwässern!“, und weiter bei 17:50 „Sie (die Imame) haben weder das Recht noch den Mut, die Wahrheit zu sagen.“ – könnte man 1:1 auf das übersetzen, was manche Fundamentalisten über die Landeskirche sagen. Auch das, was der Imam im Anschluss sagt, kann man übertragen.
  • 19:30 die persönlichen Einreden kann man fast 1:1 übernehmen: „Man wird euch sagen, dass ihr euch weit entfernt habt (von dem, was ihr eigentlich wissen müsstet)“, „…dass die ganze Welt euch verachten wird“, „man wird euch sagen, dass ihr euch radikalisiert habt“, „dass ihr jetzt anders seid und vorher besser wart“, „Sogar eure Familie wird das sagen und behaupten, man hätte euch indoktriniert.“, „Ihr werdet Fremde in eurer eigenen Familie“, „Diese Familie will euch von eurem Weg abhalten“, hab es teilweise schon wortwörtlich als Jugendliche von meiner Familie gehört, aber auch (oft als Trost, was auch gut getan hat) von meiner Gemeinde. Und dafür wurde ich in gewisser Weise auch bewundert, dass ich als einzige Christin in der Familie gelebt habe. Es kam mir vor, als ob ich dann innerhalb der Gemeinde nochmal etwas Besonderes bin.
  • Man wird aufgefordert, sich von Freunden zu trennen, Schule und Hobbies aufzugeben, Fernsehen wird beargwöhnt.
  • Abgedrehte Verschwörungstheorien wie, dass alle Erwachsenen, die anderer Meinung sind, gekauft seien. Was ich gehört habe war eher, dass die Wissenschaft voreingenommen sei und einen Gott von Vorne herein ausschließe und so keine objektiven Ergebnisse erzielen können oder dass die Welt von dunklen Mächten unterwandert ist.

Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll. Klar, in diesen christlichen Gemeinden wird nicht zur Gewalt aufgerufen, im Gegenteil. Es wird auch nicht gesagt, man solle andere Menschen bekämpfen, im Gegenteil. Es wird von Feindesliebe und Vergebung und Fürbitte gesprochen. Aber es hat mich erschreckt, dass sowohl Islamisten als auch fundamentale Christen dieselben Methoden anwenden und teilweise sich bis in den Wortlaut ähneln. Manches davon ähnelt der Milleukontrolle, die mit geistlichem Missbrauch zu tun hat, aber ich glaube nicht, dass es tatsächlich immer Missbrauch ist.

Es ist schon seltsam, wenn ich daran denke, wie ich als Jugendliche da aufgesprungen bin. Ich meine, das passte einfach so zu meiner Pubertät, aber zu der Zeit habe ich es natürlich nicht so gesehen.

3 Gedanken zu “Na? Versuchst du, fremde Gehirne zu benutzen?

  1. inselines schreibt:

    Wollte Dir ein: * „Gefällt mir“ geben, aber einiges funktioniert mal, dann wieder nicht?. Aufschlussreicher Beitrag, habe mich doppelt darin wiedergefunden: „Den Täter und das Opfer“. Dir fällt mehr auf als gewöhnlich und Du verstehst es zudem noch gut zu beschreiben. Bleib dran! 🙂 Das ist wirklich ein Spitzenbeitrag. 👍

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      • inselines schreibt:

        Das mit dem Button hängt mit meiner Seite zusammen, habe ich gestern ausführlich getestet. Wenn ich Artikel von meiner Seite aus (im Readerbereich) like, das geht, aber nicht direkt auf den Seiten anderer Blogger. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich nur Artikel von Blogger liken kann, die ich abonniert habe. Die Kommentare hingegen lassen sich alles anstandslos liken. Seltsam! Aber das ist nicht das einzige was (noch) nicht funktioniert. 😉
        Was Dein Beitrag, überhaupt Deine Artikel betrifft, liebe Bithya85, 🙂 das ist eine Gabe die Du hast, die vielen Menschen helfen kann, deshalb scheue Dich nicht darauf aufmerksam zu machen. Damit möchte ich Dir ohne zu schmeicheln, Mut machen. Du schreibst wirklich, wirklich SEHR GUT!

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