Eigentlich wollte ich heute in den Gottesdienst. Ich hab gestern eigentlich nur auf die Seite der Kirchengemeinde geschaut und spontan entschieden, dass ich heute gehen will. Und dabei muss ich immer wieder daran denken, dass es diese Situation vor einigen Jahren gar nicht gegeben hätte. Weder, dass ich auf die Seite der Kirchengemeinde geschaut hätte noch, dass ich mich für oder gegen einen Gottesdienstbesuch so selbstverständlich entschieden hätte. Es war einfach völlig selbstverständlich, dass ich gehe. Nicht, dass mich jemand gezwungen hätte, also mit körperlicher Gewalt oder mit Drohungen oder so. Eher so latent, mit einem „Vernachlässige die Versammlungen nicht“ und „Bleib bloß nah an Gott dran.“ Klar, das ist auch zumindest potentielle Gewalt, aber so hatte ich es nicht verstanden, zumindest damals nicht.
Naja. Ich weiß nicht warum, aber heute morgen bin ich echt seltsam drauf. Es gibt in meinem weiteren Bekanntenkreis so einen Typen, der mich extrem triggert und an den wurde ich heute immer wieder erinnert. Angefangen damit, dass Facebook ihn mir vorgeschlagen hat (ich hab ihn blockiert) bis zu Whatsapp-Nachrichten in einer Gruppe, in der sowohl ich bin als auch er. Hm, ich hab schon darüber nachgedacht, aus der Gruppe auszutreten, aber nur wegen dem? Idk. Was mich an ihm triggert? Er verhält sich einfach wie einer dieser absolut typischen, immer männlichen und immer arroganten Leiter in der Fundi-Szene. Er als Mann muss die Frauen anleiten, uns sagen, was wir gut machen und was wir anders denken sollen, was an uns „richtig“ und „falsch“ ist, immer von oben herab und immer so selbstverständlich und gönnerhaft, mir wird richtig schlecht. Und seine Sicht der Dinge ist die einzig Wahre und Richtige.
Gnarf, an sich hat er mir eigentlich nichts getan, aber seine Art! Hm, solange er mir nichts tut hab ich ja keinen Grund, sauer auf ihn zu sein. Aber… .
Es hätte gut sein können, dass ich ihm heute in der Kirche begegne. Und so, wie ich heute drauf bin wär das echt nicht gut gewesen. Wahrscheinlich hätte ich dieses Vorurteil von der hysterischen und unzurechnungsfähigen Frau, die die Anleitung des immer vernünftigen Mannes bedarf bestätigt. Hätte hätte Fahrradkette, es ist anders gekommen. Denn mehr aus Zufall hab ich gelesen, dass heute Volkstrauertag ist. Hm. Erst hab ich mir nichts weiter dabei gedacht. Aber dann hab ich es noch einmal gelesen und dann noch einmal wo anders. Und ich dachte, da kann ich auch keine für mich in meiner Situation hilfreiche Predigt erwarten. Etwas Negatives, Depressives, vielleicht sogar Destruktives, im Moment nein danke. Ich bin heute eher im Schrei- und Dinge-werf-Modus. Höre Musik von Dragon Ball Z und male Horror. Und dann hab ich mich auch noch gefragt, ob es dann heute wegen Volkstrauertag einen Dresscode gibt. Dunkle Sachen vielleicht, oder piekfein. Dunkle Sachen hätte ich anziehen können, aber nicht diese Art, die angemessen gewesen wäre. Und piekfein zu klein.
Ich hab tief ein und ausgeatmet, um ruhig zu werden. Dann gebetet, gefragt „Was meinst du? Was würdest du mir raten?“ Hm, die Gedanken haben sich schnell geformt. So wie ich heute drauf bin hätte nur ein bisschen gereicht, damit der Tag komplett gelaufen wäre. Gute Gottesdienste werden wieder kommen. Ich sollte lieber ein wenig raus gehen und laufen und die Sonne genießen. Hab ich dann auch gemacht. Und es war das Richtige, glaube ich. Die kühle Luft hat gut getan und die Sonne, die scheint füllt meinen Vitamin-D-Spiegel auf. Im November kann das sicher nicht schaden. Hab laut Musik dabei gehört, obwohl es auch ein Podcast hätte sein können oder gar nichts, um auf Gott zu hören. Aber die laute Musik hat auch gut getan. Nächstes mal wird es hoffentlich wieder der Gottesdienst sein.