Das verrückte Apfelmännchen

Da denkst du, du kennst jemanden und dann…

… fängt er plötzlich an, sich komisch zu verhalten.

… reagiert er ganz anders als du erwartet hast.

… bist du dir gar nicht mehr sicher, ob du ihn je gekannt hast.

Und dann dieser Moment, wo dir klar wird, dass nicht er sich seltsam verhält, sondern genau so, wie er sich verhalten sollte, wenn du auch nur ein kleines Bisschen kapiert hast. Aber genau das ist merkwürdig, denn du hast immer gedacht, dass Äpfel Obst sind, vielleicht auch noch Birnen. Aber dass auch die Drachenfrucht und Kiwano zu Obst gehören, daran hättest du nie gedacht.

Oder doch?

Ich meine, theoretisch weiß ich ja, dass ich Gott nicht wirklich so kennen kann, wie ich meine beste Freundin kenne. Meine beste Freundin mag Kaffee und liebt Meerschweinchen, hat eine krasse Geschichte und daraus resultierende Narben und Muskeln. Sie unterbricht Leute gerne, ist aber eine sehr gute Zuhörerin, wenn es drauf ankommt. Und irgendwie scheine ich gedacht zu haben, wenn ich Menschen kennen kann, warum dann nicht auch Gott, denn heißt es nicht, dass man Christen daran erkennt, dass sie Gott persönlich kennen?

Ja, es darf gelacht werden. Ich lache selber.

Ich meine, da hat man so sein schönes, gemütliches Gottesbild, ja, Gott liebt mich, ja, Gott möchte mit mir zusammen sein, ja, Gott fordert mich heraus usw usf. Und dann plötzlich steckt man mitten in einem Gespräch mit Leuten, von denen eine Person diese ganzen Attribute völlig praktisch macht und dadurch mein Bild von Gott, mein Bild von mir und mein Bild vom anderen auf den Kopf stellt. Und ich denke so, was passiert hier? Das Facepalmdürfte eigentlich gar nicht möglich sein, denn dieser Mensch ist kein Christ, so wie ich es verstehe. In meinem engstirnigen, fundamentalistisch geprägten Kleinhirn. Diese Jesus-Ähnlichkeit sollte doch eigentlich in Gemeinden zu finden sein, in frommen, evangelikalen Kreisen, vielleicht noch in der Kirche.

Facepalm erlaubt. Ich würde sie auch haben.

Aber dieses Gespräch fand NICHT in einer Kirche statt und nicht in einer Gemeinde. Nicht mal in einem Hauskreis oder Ähnlichem. Und dieser Mensch würde nie in einer Gemeinde, wie ich sie kenne, heimisch werden können, weil er Ansichten hat, die dort niemals verstanden, geschweige denn toleriert werden könnten. Das Seltsame ist aber, als ich ihn nach seinen Ansichten und seiner Art gefragt hab, meinte er, dass seine Liebe zu allen genau daraus resultieren würde, weil er der Ansicht ist, dass Gott in allem ist. Und dass es deswegen für ihn völlig undenkbar wäre, jemand anderem zu schaden. Oder nicht gut von jemand anderem zu denken, denn Gott ist ja gut.

Ich weiß nicht, wie ich da geguckt hab. Sicher war mein Blick Gold wert. Aber das hätte er nie gesagt.

Versteh mich nicht falsch, so wie ich hier schreibe, ich bin nicht verliebt in ihn. Er ist einfach ein cooler Typ. Und bitte denke nicht, dass ich ein Arsch bin, weil ich es so seltsam finde, dass er diese Jesus-Ähnlichkeit hat, obwohl er nicht so ist, wie ich es gerne hätte. Ich hoffe nämlich, ich bin deswegen kein Arsch. (Obwohl ich mich glaub ich in der Situation ein bisschen so verhalten habe, aus lauter Verwirrung. Tat mir schon in dem Moment leid.)

Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann, was ich meine. Denn ich habe diese Ansicht eigentlich immer als latent gefährlich angesehen. Aber dann dürfte sie doch eigentlich nicht solche Früchte bringen, oder? Ich habe gelernt, mit solchen Ansichten sehr vorsichtig zu sein, denn dahinter würden Dämonen stecken, die mit schön klingenden Gedanken in mein Hirn eindringen wollten. Das Dämonen-Dogma habe ich fallen lassen, aber die Angst ist wohl immer noch irgendwie gespeichert. Dumme Neuronen-Autobahnen im Gehirn. „Achtung Achtung, eine Verkehrswarnung! Auf der H45 Richtung Hypothalamus 12 Kilometer Stau und stockender Verkehr durch die Landung eines Raumschiffes.“

MandelbrotmengeAls ich eben angefangen habe, zu schreiben, habe ich nach einer Überschrift gesucht und als ich von Obst angefangen habe, dachte ich an das Apfelmännchen, daher auch die Überschrift. Das „Apfelmännchen“ siehst du auf dem Bild. Es ist ein Fraktal, eine mathematische Lösung für irgend eine komplexe Rechnung, als ich den Wikipedia-Eintrag dazu gelesen habe, habe ich echt Null verstanden. Aber ich habe vor einiger Zeit auf Youtube eine tolle Dokumentation über Fraktale gesehen: Die verborgene Dimension. Ich versuche mir die ganze Sache irgendwie zu erklären. Nein, nicht erklären. Würde sie vielleicht kaputt machen. Aber vielleicht irgendwie in Worte fassen. Denn wenn, wie in der Doku beschrieben, diese Fraktale, diese Strukturen, die sich immer wieder widerholen und trotzdem unglaublich komplex und unvorstellbar vielfältig sind, immer wieder in der Natur vorkommen, dann wird das einen Grund haben. Ich meine, vielleicht hat Gott eine ähnliche Eigenschaft. Oder so ähnlich. Dass sein Hauptwesen die Liebe ist, ja, klar. Aber wie das Apfelmännchen immer wieder in der Mandelbrotmenge auftaucht, aber immer in unterschiedlicher Weise, findet sich vielleicht auch Gottes Liebe immer wieder in unterschiedlicher Weise.

Aber wie ich jetzt damit umgehen soll, weiß ich trotzdem nicht.

Irgendwie frustrierend. Ich bin gar nicht zufrieden mit dem Artikel. Aber ich weiß auch nicht, was ich sonst schreiben kann. Denn eigentlich kann ich es mir nicht erklären.

Und was mich echt fuchst ist, dass durch diese Begegnung mit dem Typen ich gemerkt habe, wie wenig Liebe ich eigentlich habe. Und DAS frustet! Denn sollte ich als Christ seit 16 1/2 Jahren nicht mehr Liebe haben als dieser Typ?

Ja, Facepalm erlaubt!!! Ich hab sie grad selbst.

GGGRRRNNNNNNAAAAAAAAAAAAAAAAAARRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRR!!!!!!!!!!

BTW: Wenn du dir die Mandelbrotmenge mit dem Apfelmännchen mal anschauen willst: Sie ist wunderschön, aber auch verstörend. Hier gibt’s ein Video mit dem Zoom: Apfelmännchen

7 Gedanken zu “Das verrückte Apfelmännchen

  1. Kira schreibt:

    „…findet sich vielleicht auch Gottes Liebe immer wieder in unterschiedlicher Weise.“ Ja…wenn es vielleicht wirklich einfach so ist? Wenn es vielleicht wirklich in erster Linie darum geht, Gottes Liebe zu erkennen – ganz individuell in seinem eigenen Leben? Wenn es darauf ankommt, dass die Vorstellungen, die Glaubenskonzepte, die man verinnerlicht hat, einen eben genau dahin bringen, Liebe ganz praktisch zu leben, Jesus ähnlich zu werden/sein? Und wenn Jesus sagte, dass man von einem guten Baum keine schlechten Früchte ernten kann, ist das nicht ein Hinweis, dass derjenige, bei dem Du das so deutlich erlebst, doch nicht völlig daneben liegen kann, mit seiner Ansicht? Auch wenn sie völlig konträr ist, zu dem, was in Gemeinden gepredigt wird… Jesus sagte, komm und folge mir nach – und wenn der Weg der konkreten Nachfolge doch ganz individuell verschieden sein kann? Schon allein deshalb, weil alle unsere Ansichten, unser Verständnis von Gott ja doch nur Stückwerk ist…und es schon deswegen gar nicht darum gehen kann, alles bis ins kleinste Detail theologisch korrekt erfasst und definiert zu haben? Und Gott uns am Ende nicht fragt, warum wir Bibelstelle XY so und nicht so interpretiert haben und Dogma A anstelle von Dogma B den Vorzug gegeben haben..? Die Wahrheit soll uns doch frei machen… frei zu lieben und geliebt zu werden. Oder?
    Ich hab lange nachgedacht über Deinen Text. Er beschäftigt mich immer noch. Und das, was ich jetzt geschrieben habe, liegt mir ehrlich gesagt ziemlich im Magen. Es klingt zu sehr nach…Blasphemie? Eben wie etwas, was man auch nicht in einer Gemeinde sagen kann. Weil es…keine Ahnung, einfach zu sehr relativiert. Viel zu sehr. Und das kann es ja auch nicht sein irgendwie.
    Aber es gibt mir zu denken, dass ich die gleiche Frustration erlebe wie Du auch – bei der Erkenntnis, „…wie wenig Liebe ich eigentlich habe.“ Das treibt mich um, seit ich hier lese und schreibe. Diese Diskrepanz, zwischen dem, was ich in meinen Kommentaren propagiere und dem, was davon im real life übrig bleibt. Das frustet mich schon eine ganze Weile. Und in dem Zusammenhang kamen mir diese Gedanken, als ich Deinen Text gelesen habe. Das Ziel ist klar definiert. Jesus ähnlich werden. Aber wie der Weg (für mich) dahin aussieht…vielleicht ist das ein Ansatz, den ich überdenken muss.
    Ich weiß es nicht…
    lg

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  2. Kira schreibt:

    Was die fehlende Liebe angeht – ich wollte Dir auf keinen Fall bestätigen, dass Du damit richtig liegst. Mein erster Impuls war, vehement zu widersprechen 🙂 Ich wollte nur rückmelden, dass ich diese Erkenntnis auch für mich selbst schon erlebt habe (wenn auch in einem anderen Kontext), und von daher den Frust völlig nachempfinden kann. Dabei weiß ich aber, dass derartige Erkenntnisse grundsätzlich sehr subjektiv sind – müssen so, wie man es selbst sieht, nicht unbedingt auch von anderen so wahrgenommen werden. Man neigt ja in der Regel dazu, sich auf das zu fokussieren, was fehlt. Gibt da ein schönes Beispiel, von dem Mann, der ein Haus gebaut hat und dann verzweifelt feststellen muss, dass er einen Dachziegel vergessen hat. Er sieht das ganze Haus nur unter diesem Makel, während andere ein wunderschönes Haus sehen, errichtet mit ganz viel Liebe fürs Detail…Und vielleicht geht es Dir (und mir) da ja ähnlich. Dass wir vielleicht in vielen Dingen Liebe haben und leben, die uns so gar nicht bewusst sind, weil wir sie ganz selbstverständlich tun.
    lg

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  3. mARi schreibt:

    Mmh, ich habe darauf auch keine eindeutige Antwort. Ich merke nur, dass ich da in den letzten Jahren entspannter geworden bin. Wenn ich so jemandem begegne, denke ich z.B.: Wow, ihm ist so vieles wichtig, was mir auch wichtig ist! Was kann ich von ihm lernen? Wo ist seine Liebe noch radikaler grenzüberschreitend als meine? Und was die verschiedenen Gottesbilder betrifft: Ich denke, jede Gottesvorstellung hat ihren wahren Kern (außer natürlich denen, die mit der Liebe nicht vereinbar sind, klar) oder und hat erst mal das Potential, meine Vorstellung zu ergänzen. Ich persönlich habe z.B. beschlossen, an der Vorstellung festzuhalten, dass Gott ein „Du“ ist, also ein Gegenüber. ABER ich kann den Impuls aufgreifen und neu darüber nachdenken, wie Gott in uns ist, denn meine Vorstellung vom Gegenüber greift da vielleicht wirklich zu kurz. Verstehst du, was ich meine??
    Und zu den Früchten: Ich habe beigebracht, immer nach den Wurzeln zu schauen. Wo kommt das her? Wer hat das erfunden? Aus welcher Geistesströmung kommt das? Aber wie du schon schreibst: Wir sollen nach den Früchten schauen. Das scheint mir das biblischere Prinzip (wenn man schon biblisch sein will). 😉

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    • bithya85 schreibt:

      Im Großen und Ganzen stimme ich dir zu, ja. Klar, meine Vorstellung von Gott ist absolut lückenhaft und das mit dem „Gott wohnt in mir“ ist mir gleichzeitig unheimlich und vertraut und ich versteh es nicht. Vielleicht je nach Tagesform. Bei dem Menschen war es jetzt so, dass an dem Tag mir eigentlich das erste mal aufgefallen ist, dass er so tickt. Vorher war er einfach ein total witziger Typ, der einen immer zum lachen gebracht hat, und eben eine besondere Einstellung zu Gottes Allgegenwart hatte. Inzwischen hab ich mich auch etwas beruhigt und versuche auch, von ihm zu lernen, was das angeht. 😀 War vielleicht einfach der erste Schreck.
      Aber was meinst du mit dem letzten Absatz? Den hab ich glaub ich nicht ganz verstanden, kannst du ihn noch mal erklären? Was meinst du mit den Wurzeln?
      LG

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  4. mARi schreibt:

    Du hast ja oben geschrieben, dass seine Ansichten ganz offensichtlich „gute Früchte“ bringen. Das hat mich zu diesen Gedanken gebracht. Nämlich, dass Jesus uns ja aufgefordert hat, auf die Früchte zu achten und dass ein schlechter Baum keine guten Früchte hervorbringen kann. Ich hab dagegen gelernt, auf die Wurzeln zu schauen und dann direkt zu urteilen: Da KANN ja gar keine gute Frucht bei rauskommen. Und dann die Früchte direkt vorzuverurteilen. Das ist dann eine Setzung, die auch meine Wahrnehmung beeinflusst, nach dem Motto: Was nicht sein darf, das nicht sein kann.
    Ist es so verständlicher?

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    • bithya85 schreibt:

      Achso, ja dann versteh ich es. Ich hatte das so verstanden, dass du immer noch vor Allem nach den Wurzeln schaust und es danach beurteilst. Aber wenn du es so erklärst, ist es genau wie bei mir: Das wurde mir nämlich auch so beigebracht: Der Teufel tarnt sich als der Engel des Lichts, auch wenn es gute Früchte zu haben scheint, kann es vom Feind kommen, blah blah blah. Jedenfalls in der Radikalität, wie ich es gelernt habe.

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