Buchvorstellung 3 – Das Lebensbuch mit sieben Siegeln

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Bibel und Entkehrte – Bibel und Wort Gottes – Bibel und Realität – Bibel und Kultur

heart/bookViele der Entkehrten konnten die Bibel nicht mehr absolut sehen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, aber ihnen gemeinsam ist, dass in ihren Gemeinden genau das gelehrt wurde, was sie nicht mehr glauben konnten: Die Bibel als praktisch perfekt in jeder Hinsicht zu sehen. Also ist die Entkehrung hier eine direkte Folge fundamentalistischem Bibelverständnisses. Darüber schreibt Thorsten Diez.

Man sagt, die Bibel sei das „Wort Gottes“, aber was bedeutet das? Schon in der Bibel gibt es unterschiedliche Bedeutungen für den Begriff „Wort Gottes“: Das schöpferische Wort Gottes („Es werde Licht“), die Worte Gottes, die die Propheten verkündeten und last, but not least Jesus Christus als die letzte und endgültige Selbstoffenbarung Gottes. Das Evangelium von Jesus Christus bezeichnet Paulus als das entscheidende Wort Gottes, denn Jesus selbst ist der Inhalt. (Deswegen kann übrigens auch keine Lehre das Zentrum des Glaubens bilden.) Christen glauben nicht an die Bibel, sondern an das Evangelium von Jesus Christus, und das kennen wir nur durch die Bibel. So herum wird n Schuh draus.

Deswegen sagen einige (auch ich) „Die Bibel ist nicht Gottes Wort, sie enthält es nur“. Allerdings kennt die Bibel eine solche Unterscheidung nicht, denn wie will man unterscheiden, was in der Bibel jetzt Gottes Wort ist und was nicht? Da das also nicht so einfach geht, haben einige die Bibel gleich für unfehlbar erklärt. Aber auch diesen Anspruch kennt die Bibel nicht und wenn man so etwas behauptet, hat man die Beweislast, da sonst naturwissenschaftliche Publikationen einen schnell lügen strafen. Da kommen manchmal sehr „interessante“ Dinge bei raus: W&W.

Wieder andere sagen, dass die Bibel nur da fehlerfrei ist, wo es um Heil und christliche Lebensführung geht. Hier wird zwar vom Zentrum ausgegangen, das Wichtigste in den Fokus gerückt, aber der Rest wird schnell gar nicht mehr ernst genommen, was auch sehr schade ist.

Was wir vielleicht machen können, ist zu unterscheiden zwischen Zentrum und Rand. Denn das Zentrum ist das Wichtigste, aber auch am Rand kann man schon das Zentrum erahnen. Mit dem Zentrum ist das Evangelium von Jesus Christus gemeint und sofern die Bibel das bezeugt, ist sie Wort Gottes, denn nicht die Bibel, sondern Jesus Christus ist die entscheidende Offenbarung Gottes. (BTW: Berichtigt mich, wenn ich falsch liege, aber ich habe gehört, im Islam ist es genau umgekehrt: Da ist tatsächlich der Koran die entscheidende Offenbarung Gottes und Mohammed bezeugt es nur, darum würde auch kein Moslem auf die Idee kommen, Mohammed anzubeten, aber ich habe schon gesehen, wie muslimische Mädchen den Koran vor und nach dem Lesen geküsst haben.)

Und wir sollten uns hüten, die Bibel zu lesen, ohne die Kultur ernst zu nehmen. Sonst werden wir anfangen, unsere Kinder zu schlagen, Frauen zu unterdrücken, Leiter zu ver-ehren und so weiter. Laut 2. Timotheus 3,14-17 hat die Bibel ein Thema: Gottes Handeln durch Jesus Christus und ein Ziel: unsere Leben zum Besseren zu verändern. Das bedeutet aber weder, dass wir alles einfach für wahr halten müssen (immerhin war das Wissen in dieser Zeit noch nicht so ausgeprägt) noch, dass wir einfach irgendein Verhalten kopieren sollen. Nicht alles, was in der Bibel steht, ist auch christlich oder gottgemäß. Auf der anderen Seite leben wir in einer Welt, die schon lange christlichem Einfluss ausgesetzt war, was auch gute Spuren hinterlässt. (Gleichberechtigung, Umweltschutz, Friedensbewegungen) Was nicht bedeutet, dass wir unsere heutige Kultur nicht auch mithilfe der Bibel kritisch beobachten sollten.

„Gott hat sich auf diese Welt eingelassen, ohne ihre Kultur, ihr Rechtssystem oder ihre Weltvorstellung zu vervollkommnen. Wohl können wir sagen: Da, wo Gottes Selbstoffenbarung auf menschliche Lebensverhältnisse trifft, prägt er diese durch einen Richtungsimpuls.“ (Dietz in Faix 2015, S. 35)

Dieses Denken ist nicht neu, sondern war in der Gemeinde schon immer üblich. Das wortwörtliche Verständnis ist das neuere Phänomen. Auch Pietisten wie Graf Zinzendorf und Adolf Schlatter kannten es so nicht.

In der Bibel geht es nicht um 1000 Lehren oder eine Liste von Dos und Don’ts. Sie will inspirieren zu einem Leben in Echtheit, Güte, Wertschätzung, einem Streben nach Gerechtigkeit und Frieden. Sie zu verstehen ist nicht einfach, aber zusammen geht es besser, vor Allem, wenn man Zugang zu theologischem Knowhow und Hintergrund-Informationen hat. Niemand von uns weiß alles und je weniger sich einzelne in ihrem Bibelverständnis kritisieren lassen, desto skeptischer kann man ihnen und ihrem Verständnis gegenüber sein.

Diesen Artikel musste ich mehrmals lesen, um ihn einmal zu verstehen. Und kann nicht sagen, dass ich ihn jetzt wirklich verstanden habe. Liegt vielleicht daran, dass ich selbst aktuell nicht weiß, was ich von der Bibel halten soll. Schwierige Kiste, wenn man selbst so auf Fundamentalismus programmiert ist.

Hier geht’s weiter: Buchvorstellung 4 – Das andere Zeugnis

 

4 Gedanken zu “Buchvorstellung 3 – Das Lebensbuch mit sieben Siegeln

  1. Inselines schreibt:

    Die Bibel war eine jahrzehntelange Herausforderung für mich. Als eine Person mit Forschergeist, die sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden gibt, habe ich mich damit schwerer getan als nötig, bis ich endlich und ich hoffe es bleibt so, loslassen konnte.

    Ich sehe gerade dieses Bild vor meinen Augen, wie ich liegend angestrengt die Bibel lese und dabei keinen Schritt weiter komme, erst als ich den Kopf hebe und die mir entgegen gestreckte Hand erfasse, stehe ich auf und lasse mich sofort vertrauensvoll führen (ich denke aber auch, die Bibel hatte ihren Beitrag, dass ich das so konnte). Die Bibel verschwindet im Hintergrund, taucht aber immer wieder aufgeschlagen auf um mir etwas zu zeigen. Dann rückt sie wieder in den Hintergrund und ich gehe einfach weiter.

    Meine persönliche Erfahrung mit der Bibel ist sowohl lebensverändernd positiv, wie auch negativ. Heute weiß ich dass das viel mit meinen Lebensumständen zusammenhing, meiner psychischen Verfassung und dem was ich mich zu glauben wagte und was nicht.

    Für mich ist in der Bibel sowohl Gottes Wirken, menschliches Wirken und teufliches Wirken enthalten. Sie ist ein Zeitendokument von dem ich überzeugt bin, dass es nicht ohne Grund existiert. Was wir daraus machen ist uns überlassen und ich glaube man braucht schon eine Beziehung zu Gott um der letzten Wahrheit nahe zu kommen, ob wir sie hier erreichen wage ich anzuzweifeln. Die Geschichte soll uns auch lehren, aber je nach Empfänger zieht jeder seine eigene Lehre daraus.

    Ich habe beides erlebt, wie der Geist Gottes mir Bibelstellen beleuchtet und ich plötzlich eine Erkenntnis erhalte, die ich über Jahre beim Lesen nicht hatte und ich habe ähnlich wie Jesus erlebt, wie der Teufel Worte der Bibel missbraucht.

    Manchmal denke ich der fanatische Eifer die Bibel bis in alle Einzelheiten ergründen zu wollen, sie zu verteidigen oder zu widerlegen, ist pure Angst. Das ist mein Eindruck, ich habe öfters das Gefühl dass sich der Mensch seine Grenzen nicht eingestehen möchte. Ich schließe mich nicht aus. Oder wenn Gott nicht der Gott meiner Vorstellung ist, dann gibt es ihn einfach nicht.

    Jedenfalls bin ich persönlich sehr froh und dankbar darüber dass ich nach jahrzehntelangem Ringen endlich die Bibel frei ohne jeden Druck und Krampf lesen kann. Ich brauche nichts mehr zu verteidigen was ich nicht selbst verfasst habe, ich behaupte aber auch nicht dass Gott in allem enthalten ist. „Gott hat gesagt“ behaupten auch heute viele echte, wie falsche Propheten. Das Denken wurde uns eben zu keiner Zeit abgenommen, aber es ist einfacher als man glaubt, wenn man weiß zu wem man gehört. Das ist meine Erfahrung. Ich habe es mir selbst unnötig schwer gemacht.

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    • bithya85 schreibt:

      „Manchmal denke ich der fanatische Eifer die Bibel bis in alle Einzelheiten ergründen zu wollen, sie zu verteidigen oder zu widerlegen, ist pure Angst.“ Das denke ich auch 🙂

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